Bauarbeiter, die im Wesentlichen ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen und kein Unternehmerrisiko tragen, sind abhängig beschäftigt. Die beauftragende Baufirma kann sich nicht auf einen Nachunternehmervertrag berufen, wenn dieser lediglich die tatsächlichen Verhältnisse verschleiern sollte, um der gesetzlichen Sozialabgabepflichten zu entgehen. Zu dieser Entscheidung gelangte der 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in einem am 7.3.2023 veröffentlichten Urteil (AZ: L 8 BA 51/20).

Rentenversicherung fordert von Baufirma 100.000 € Beitragsnachzahlung
Eine Baufirma aus Kassel ließ drei ungarische Männer, die eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet hatten, Trockenbauarbeiten verrichten. Sozialversicherungsbeiträge wurden für die im Landkreis Kassel wohnenden Bauarbeiter, die insbesondere Säulen mit Brennschutzplatten verkleideten, nicht zahlt.

Das Hauptzollamt ermittelte und die Deutsche Rentenversicherung führte eine Betriebsprüfung durch. Dabei stellte sie fest, dass die drei Männer als sogenannte Scheinselbstständige abhängig beschäftigt gewesen seien und forderte von der Baufirma Sozialversicherungsbeiträge (incl. Säumniszuschlägen) in Höhe von rund 100.000 €.

Der Inhaber der Baufirma widersprach und verwies auf den abgeschlossenen Nachunternehmervertrag. Die Bauarbeiter hätten pro verkleideter Säule einen Festbetrag von 10 € bzw. 11 € erhalten. Bei ca. 12 Minuten Arbeitszeit pro Säule hätte der Stundenlohn bei rund 45 € gelegen. Zudem hätten sie einen eigenen Firmenbus sowie eigene Arbeitsmaterialien eingesetzt und seien auch für andere Auftraggeber tätig gewesen. Daher sei von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen.

Nachunternehmervertrag diente lediglich der Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse
Die Richterinnen und Richter beider Instanzen gaben jedoch der Rentenversicherung Recht. Abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung habe vorgelegen. Der Inhaber der Baufirma habe die drei Bauarbeiter zumeist in seinem Bus zu den Baustellen gefahren. Dort hätten sie die ihnen zugewiesenen Säulen mit Brennschutzplatten versehen müssen. Material und Werkzeug sei ihnen gestellt worden, ein eigener Firmenbus habe ihnen nicht zur Verfügung gestanden. Die kaum Deutsch sprechenden Bauarbeiter hätten lediglich ihre persönliche Arbeitskraft zur Verfügung gestellt und seien in den Betrieb der Baufirma eingegliedert gewesen. Ein Unternehmerrisiko hätten sie nicht getragen. Bei einer Arbeitszeit zwischen 20 und 60 Minuten pro Säule und dem vereinbarten Festpreis hätten sie ein selbstständiges Unternehmen nicht führen können.

Der Inhaber der Baufirma habe auch von der Sozialversicherungspflicht der Bauarbeiter ausgehen müssen. Ihm sei bewusst gewesen, dass die drei Bauarbeiter als sogenannte Scheinselbstständige für ihn tätig gewesen seien. Der mit ihnen geschlossene Nachunternehmervertrag habe lediglich der Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse und der Umgehung der gesetzlichen Sozialabgabenpflicht gedient.

Auch die erhobenen Säumniszuschläge (rund 20.000 €) seien nicht zu beanstanden. Insbesondere könne sich der Inhaber der Baufirma nicht auf unverschuldete Unkenntnis berufen, da von dieser im Falle der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung von vornherein nicht ausgegangen werden könne.